Schönheitswahn in kleiner Runde

Kurz verstummte das Rattern meiner Nähmaschine am gestrigen Donnerstag, als ich plötzlich das Wort “Schönheitswahn” vernahm. Ich- Mitte 30, mit Furchen und Falten kämpfend, die Schwerkraft verfluchend und weit entfernt von Körbchengrösse D- bin aktuell hin und her gerissen zwischen Beautywunsch und Realität.

Nicht immer sind die Themen so spannend in unserer kleinen, aber feinen Nähtruppe, die sich seit Jahren wöchentlich zusammenfindet. So war nun also die Rede von plastischer Chirurgie, die immer beliebter wird und immer alltäglicher. Kleine Eingriffe, wie mal eben Gesicht glätten, Augenlider straffen oder Fett absaugen lassen um dem heutigen Schönheitsideal zu entsprechen, sind ja schnell in der Mittagspause erledigt. Verlockend, oder? Auch größere Investitionen, wie eine Brustvergrößerung gepaart mit einer Augenlidstraffung (damit man das Meisterwerk auch frisch und munter bewundern kann) schrecken viele nicht ab.

Für mich käm das nicht infrage denke ich so bei mir, kauend und auf die Kekse wartend, die wieder mal die Runde machten. Auch die Anderen waren sich einig. Vielleicht ne Spritze mit ü-50. Ok! Aber bitte keine großen Sachen-zu riskant. Scheinbar ist der absolute Schönheitswahn nichts für Hausfrauen und berufstätige Mütter, die lieber einzigartige Kleidungsstücke kreieren als selbst kreiert zu werden. Selber schnibbeln ist angesagt. Reduzierung statt Stilisierung.
Trotzdem sind wir alle mehr oder weniger mittendrin im Schönheitswahn.

Aber seit wann gibt es überhaupt diesen Willen voll und ganz Schön zu sein? Wir kamen zu diesen drei Thesen:

1. Schon immer. Nur waren wir in der Urzeit gerade erst von den Bäumen runter und mit anderen Dingen beschäftigt wie zum Beispiel Überleben, Mammuts erlegen, das Rad erfinden und Sprechen lernen. Also eher unwahrscheinlich das hier alles begann.

2. Seitdem es Idole gibt.

3. Seit der Erfindung des Silikon und dessen Vermarktung.

Alles sehr zugunsten der vielen unglücklichen, leidgeplagten Menschen, die sicher um einiges glücklicher die Klinik wieder verlassen. Aber wären sie ohne den Schönheitswahn überhaupt erst unglücklich geworden? Warum sind manche überhaupt so verzweifelt, dass sie den Schritt wagen und die Schönheitschirurgie in Anspruch nehmen? Warum verfallen wir denn dem Schönheitswahn so scheinbar ohne Gegenwehr?
Meine Hobby-Buddies und ich rätselten. Vielleicht:

  1.  Weil wir, auch dank sozialer Netzwerke, immer häufiger was darstellen wollen, das wir nicht sind um in der “anonymen Masse” aufzufallen.
  2.  Weil uns ein Idealbild vorgesetzt und zelebriert wird das überall Erfolg, Reichtum und Bewunderung erntet. Es ändert sich dabei alle paar Jahrhunderte.
    • Früher war voluminös der Hit
    • Heute ist Size Zero angesagt
    • Morgen vielleicht skelettös?

Ok im Ernst, wenn ich straffe Haut, volle Lippen oder ein kerzengerades Stups-Näschen seh, werd ich neidisch! In diesen Momenten der Selbstbetrachtung erkenn ich nur allzu genau meine Schwächen. Schwächen im wahrsten Sinne des Wortes- mein Bindegewebe “lässt mich hängen”. Überall. Auch wenn es keiner von uns zugibt, aber ganz zufrieden sind wir alle nicht mit dem was wir haben und wie wir sind…
Wie auch immer man versucht die eigenen Erbanlagen auszutricksen und die Spuren des Erlebten zu beseitigen, wichtig wär für uns in erster Linie sich selbst treu zu bleiben und im Rahmen einer gesunden Schönheitsvorsorge nicht allzu große Risiken einzugehen.

Der Beauty-Feldzug muss nämlich nicht nur schlecht sein!
Vielleicht ist ja das Gute daran, dass der Blick des Menschen mal ganz auf sich selbst gerichtet ist. Wie bei der Kunst der Renaissance, als sich der Mensch als ästhetisch schönes Wesen erkannte und plötzlich selbst Darstellungswert geworden war. Eine neue Renaissance?

Zumindest waren sich gestern alle einig, dass das Thema gerade erst begonnen hat und das Philosophieren nächste Woche mit Kuchen und Keksen bewaffnet weiter gehen kann, während wir unsere XL-Shirts und Anti-Falten Schlafmasken in Angriff nehmen….

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